Geschrieben am 16.09.2022 von:
Felix Thiemann
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfassung der Arbeitszeit
Das BAG hat am 13.9.2022 entschieden, dass Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzrecht gesetzlich zum Erfassen aller Arbeitszeiten verpflichtet sind. Die Folgen dieses Urteils werden für die Praxis erheblich sein. „Vertrauensarbeitszeitmodelle“ werden in Zukunft nicht mehr ohne weiteres vereinbart werden können.
Eigentlich ging es in dem jetzt vom BAG zu beurteilenden Fall um die Frage, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) gab dem Antrag des Betriebsrats statt (LAG Hamm, vom 27.7.2021 – 7 TaBV 79/20). Die Arbeitgeberin war hiermit nicht einverstanden und zog vor das Bundesarbeitsgericht.
Der Schuss ging dann aber nach hinten los: Zwar gab das BAG der Arbeitgeberin insoweit Recht, dass ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht. Dies aber nur darum, weil, so das Gericht, Arbeitgeber ohnehin bereits gesetzlich zum Erfassen aller Arbeitszeiten verpflichtet sind und damit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bestehen kann.
Arbeitgeber sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Das BAG begründet dies mit der unionsrechtskonformen Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG - die Vorschrift betrifft die Grundpflicht des Arbeitgebers, für Arbeitsschutzmaßnahmen die Organisation und die nötigen Mittel bereitzustellen.
Das BAG stützt seine Argumente auf das »Stechuhr-Urteil« des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 14.5.2019 – C 55/18): Zeiterfassung ist eine Maßnahme des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und muss folglich die gesamte Tages- und Wochenarbeitszeit der Beschäftigten umfassen.
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Geschrieben von Felix Thiemann am 16.09.2022 Zurück zur Übersicht ❯